Di. Okt 15th, 2024

Nachdem die BaFin letzte Woche ein erstes deutsches STO (Security Token Offering) genehmigt hat, steht der Markt nun für weitere, nun regulierte ICOs offen. Damit könnten sich Unternehmens-Token endlich im professionellen Kapitalmarkt verankern, da besonders von Seiten professioneller Anleger ein großes Interesse an vielversprechenden Projekten und Start-ups besteht. IR CONSULT, seit 25 Jahren Spezialist für IPOs und Investor Relations, hat 6 wesentliche Gründe dafür herausgearbeitet. Im besten Fall stehen wir vor einem neuen Boom bei Coin-Offerings, da die Emission von Wertpapieren über die Blockchain deutlich schneller, billiger und sicherer durchgeführt werden können.

In den Jahren 2015 bis 2017 war der ICO-Markt (Initial Coin Offering) weltweit ein boomender Markt. Zigtausend Start-ups – zumeist mit Blockchain-Projekten – sammelten weltweit Milliarden ein, um sich zu finanzieren. Die Goldgräberstimmung kam Anfang 2018 zu ihrem Höhepunkt, was daran zu ersehen war, dass viele ICOs ihre Coins innerhalb von kürzester Zeit platzieren konnten und dass diese Coins, sofern sie danach an Kryptobörsen gehandelt wurden, stark steigende Preise erzielten.

Doch ab dem 2. Quartal 2018 war der Boom plötzlich zu Ende. Die Finanzmarktaufsichtsbehörden weltweit veröffentlichten Kauf-Warnungen und führten eine Anmeldepflicht ein, da sich die Anzahl der angeblich betrügerischen ICOs stark beschleunigte. Einige Länder – wie China oder Südkorea – verboten ICOs sogar komplett. Zum anderen rutschte der Bitcoin, die bekannteste Kryptowährung, dramatisch ab mit dem Resultat, dass „Investoren“ plötzlich Geld verloren. Hier stellt sich die Frage, ob man wirklich von Investoren oder Spe-kulanten sprechen sollte?

Dies war auch der Beginn, als Geschäftsmodelle kritischer beäugt wurden, was dazu führte, dass viele Unternehmen ihre Coins nicht mehr platzieren konnten. Dies wiederum hatte den Effekt, dass Projekte nicht fertiggestellt werden konnten und somit nicht erfolgreich waren, wodurch viele Unternehmen Insolvenz anmelden mussten. Das bis dahin investierte Geld war somit verloren.

Man sollte aber bedenken, dass ein Investment in ein ICO ein Investment in ein Start-up – also Wagnis- oder Risikokapital (Venture Capital) – ist. Bei VC erwarten die Professionellen von 10 Investitionen im Durchschnitt 6 Pleiten, 3 OK-Investments und im Best-Case-Szenario 1 Highflyer. Die Presse sowie die geschädigten Investoren betrachteten diesen Geldverlust aber oft einfach als Betrug, was es aber nicht zwingend von Anfang an sein musste.

Noch einige Worte zu Europa, wo der anfängliche Boom völlig verschlafen wurde. Erst in der zweiten Hälfte von 2017 wagten sich erste Unternehmen mit ICOs aus den Startlöchern. Also zu einem Zeitpunkt als sich der Höchstpunkt des Marktes schon beträchtlich näherte. Aber trotzdem schafften es einige, noch 2-stellige Millionenbeträge einzusammeln. Ab April 2018 schaffte es dann aber kein Unternehmen mehr. Erfreulicherweise ist in der Zwischenzeit aber viel in Europa in Richtung Pro-Kryptoanwendungen getan worden.

Wie geht es nun weiter mit dem ICO-Markt?

Einen ICO-Boom, wie wir ihn in den letzten Jahren kennen gelernt haben, werden wir so sicherlich nicht mehr erleben. Dennoch erwarten wir in den folgenden Jahren eine deutliche Wiederbelebung im Krypto- / Blockchain-Bereich mit dem Unterschied, dass die Qualität wächst und dass Unternehmen gezielt ein STO oder Equity Token Offering (ETO) durchführen; diese unterliegen ähnlichen Regularien, wie wir es heute von Wertpapieren (Aktien, Anleihen usw.) kennen. Besonders für Europa sehen wir große Chancen und dafür gibt es eine Reihe von stark unterstützenden Gründen:

1.Projekte werden realistischer

Die große Mehrzahl der vergangenen ICOs hatten wirklich tolle Ideen und zielten darauf, mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie die Welt zu verbessern. Viele dieser Unternehmen hatten aber kein fertiges Produkt. Und gerade in der Entwicklungs- und Implementierungsphase kommt es bekanntermaßen immer wieder zu Verzögerungen bis hin zur kompletten Einstellung. Und die Unternehmen, denen das endlich geglückt ist, kämpften danach mit Regulierungen, einer erfolgreichen Markteinführung und dem Produktionsausbau, welche weitere, sehr teure und langwierige Hürden darstellen.

Heute nehmen die meisten Unternehmen jedoch Abstand vom schnellen Geld mittels eines ICOs. Der Fokus liegt nun auf ein funktionierendes Produkt und echte Werte mit einem attraktiven Deal für Investoren mittels eines STOs. Die Risiken sind also schon bedeutend geringer geworden. Zudem interessieren sich auch zunehmend Unternehmen aus nicht Blockchain-Bereichen für Token-Offerings als Finanzierungsalternativen, so z. B. aus dem Konsumbereich, Maschinenbau, erneuerbare Energien usw. Die Produkte werden somit auch viel besser von den adressierten Investoren verstanden, was ihre Entscheidungsfindung beschleunigt.

2.Management endlich erfahrener

In der Vergangenheit taten sich oft 2-3 Programmierer zusammen, um eine Idee zu entwickeln, die dann über ein ICO finanziert wurde. Zusammen mit einigen mehr oder weniger erfahrenen „Advisorn“ bildeten sie das Team – also das Herzstück des Unternehmens. Oft arbeiteten sie aber gar nicht gänzlich für das Unternehmen oder gaben nur ihren Namen, um das Vertrauen von Investoren zu gewinnen und als Gegenleistung dafür kostenfreie Coins zu erhalten. Ist es also nicht klar, dass ein solche Unternehmensführung letztendlich scheitern musste?

Heute wissen die Gründer, dass die Finanzierung eines der zentralen Themen ist und dass man dafür ganz besondere Expertise besitzen muss. Es wird also sehr früh bereits ein Finanzexperte involviert, der die Gründer u. a. informiert, welche Informationen Geldgeber wünschen, die in Token investieren. Dieses Vorgehen ersetzt ICOs und macht STOs nun endlich kapitalmarktfähig.

3.Breitere Akzeptanz bei Blockchain und Krypto

Vor ein paar Jahren wussten nur Insider, was eine Blockchain ist und was man mit ihr machen könne. Mittlerweile wird man aber überhäuft von Einladungen zu Blockchain-Events, ja vielfach auch schon vom Wirtschaftsministerium sowie staatlichen Start-up-Förderern. Eigene Lehrgänge, Stellengesuche von Großunternehmen sowie eine Vielzahl an Literatur runden das stark gestiegene Interesse an dieser Technologie und den Einsatzmöglichkeiten ab.

Interessanterweise sehen mittlerweile sowohl die EZB als auch die BaFin das große Potenzial der Blockchain-Technologie besonders im Finanzbereich. Großbanken und –unternehmen gründeten eigene Abteilungen und platzierten auch schon erste Schuldverschreibungen über die Blockchain. Gerade aktuell hat die BaFin den ersten STO eines deutschen Unternehmens genehmigt.

Der nun realistische Blick auf Blockchain- und Kryptoanwendungen unterstützt das Vertrauen auch in Token-Offerings nachhaltig.

4.Regulierer fordern professionelle Informationen

In der Vergangenheit wurde unter dem Begriff ICO meist Utility-Token herausgegeben, um eine Klassifizierung als Wertpapier zu umgehen. Trotzdem wurde oft auch eine Art Gewinnbeteiligung versprochen, also ähnlich wie bei einer Aktie. Damals schritten die Aufsichtsbehörden nicht dagegen ein.

Seit knapp einem Jahr jedoch sehen das die Regulierungsbehörden nun aber anders: Zuerst einmal ist ein Unternehmens-Token immer ein Wertpapier (Security), es sei denn, man beweist ihnen, dass es doch ein Utility – also ein Art Einkaufsgutschein oder Mitgliedschaft – ist.

Das bedeutet nun, dass der Emittent von Token einen Wertpapierprospekt erstellen und genehmigen lassen muss. Damit wird die Geldeinwerbung natürlich langwieriger und teurer, aber auf der anderen Seite darf der Emittent nun auch ein öffentliches Angebot durchführen und hat umfängliche, für den Kapitalmarkt notwendige Unterlagen. Die Vorteile überwiegen also deutlich!

5.Professionelle Investoren stark angestiegen

Die ICO-Käufer der Vergangenheit hatten oft nur den kurzfristigen Erfolg im Blick: den Preisanstieg der Coins/Token. Diese sogenannten “Pump-and-Dump-Investoren” interessierten sich nicht für das mittel- bis langfristige Wohl des emittierenden Unternehmen. Da diese Unternehmen aber für ihr Wachstum über eine längere Zeit Geld benötigten, fanden sie – als die Preise der Coins stark fielen – natürlich keine Investoren mehr, obwohl es auch zu dieser Zeit nach wie vor interessante Projekte gab. Zudem waren die Tokenkäufer meist Privatinvestoren und keine professionellen Anleger.

Einer Analyse von IR CONSULT zur Folge gab es Anfang 2018 nur eine Hand voll institutioneller Anleger in Europa, die ICO/ITO-Unternehmen auch längerfristig begleiteten, da sie das Wachstumspotenzial er-kannten. Auch als Folge der nun favorisierten Security Token mit kapitalmarktüblichen Dokumentationen und Folgepflichten ist die Zahl der professionellen Anleger deutlich angestiegen: aktuell zählt IR CONSULT mindestens 30 in Europa.  

Mit der Einführung von regulierten Kryptobörsen in diesem Jahr (z. B. Schweiz, Stuttgart) wird die Akzeptanz von Token weiter zunehmen. Interessanterweise interessieren sich auch zunehmend Venture Capital-Unternehmen für Start-Up Beteiligungen an STO-Kandidaten, da sich dadurch eine Risikoreduzierung ergibt.

6.Security Token werden boomen

Die BaFin hat gerade (Mitte Februar 2019) einem ersten deutschen STO ihr OK gegeben.

Das ist u. E. der Startschuss zu einer Menge an weiteren Offerings; denn die Geldbeschaffung über die Blockchain und das Internet macht den ganzen Emissionsprozess einfacher, schneller und billiger, so dass mittelfristig wohl auch normale Börsengänge (IPO) so abgewickelt werden.

Wo sonst hat ein Unternehmen die Möglichkeit, weltweit interessierte Investoren anzusprechen und für sich zu gewinnen? Wo sonst hat es die Möglichkeit, Wachstumskapital einzusammeln ohne Stimmrechte abgeben zu müssen und ohne Sicherheiten? Wo sonst kann es so flexibel sein in der Ausgestaltung der Token mit Zins- oder Dividendenzahlungen?

Fazit:

Als Fazit erwartet die IR Consulting in der nächsten Zeit einen neuen Boom mit STOs. Das Umfeld ist nun viel positiver auf Blockchain- und Krypto-Möglichkeiten eingestellt, die Regulierer erlauben nun auch diese innovative Art der Unternehmensfinanzierung und die Start-ups werden professioneller. Spannende Ideen und Start-ups gibt es genug; einzig allein fehlt die Finanzierung. STOs bieten eine ideale Chance für Unternehmen und neue Projekte, ihre Finanzierungsmöglichkeiten zu erweitern und das schneller und billiger als bei manch anderen Geld-quellen. Jedoch bedarf es einer intensiveren und professionelleren Vorbereitung, was aber keine große Hürde darstellen sollte, wenn man die richtigen, Krypto- und Kapitalmarkt erfahrenen Partner gefunden hat. Beschleunigend wirken würden einige namhafte und erfolgreiche STOs in der nächsten Zeit.

By Alexander Vollet

Alexander Vollet ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und arbeitete 8 Jahre lang als Aktienanalyst bei der Deutschen Bank, UBS und der SEB-Bank. Er besitzt die DVFA-Auszeichnung als “Investment Analyst” und die bdvb-Zertifizierung als “Unabhängiger Unternehmensberater”.

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